Haushaltsrede
FDP Haushaltsrede zum Haushalt 2021
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Rates und der Verwaltung,
sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger,
das letzte Jahr hat uns alle gefordert. Ein Jahr, in dem wir vieles nicht so umsetzen konnten, wie wir es wollten. Ein Jahr, in dem wir alle ein Stück weit mehr zusammengerückt sind. Ein Jahr, wie wir es alle noch nie erlebt haben - und es hoffentlich auch nicht mehr erleben müssen.
Im Frühjahr 2020 erschienen die ersten dunklen Haushaltswolken am Horizont. In der Ratssitzung am 23.6.20 berichtete der Kämmerer, dass in der mittelfristigen Finanzplanung bis 2024 der Verbrauch der Ausgleichsrücklage zu erwarten sei. Daher drohe die Aufstellung eines Haushaltssicherungskonzeptes; sprich enorme finanzielle Einschränkungen für die Stadt Kempen. Daraufhin wurde als kurzfristige Maßnahme am 30.6.20 eine Bewirtschaftungsverfügung erlassen. Das dies nicht ausreicht war allen Beteiligten klar und umso mehr haben wir die Installierung des überparteilichen Arbeitskreises „Finanzen zur Erarbeitung von Konsolidierungsmaßnahmen bzw. Einsparmaßnahmen“ begrüßt.
Die Zielvorgabe: „Mit welchen Maßnahmen vermeiden wir ein HSK ?“ wurde mit den Konsolidierungslisten erreicht. Aber vergessen wir nicht dabei die beiden Corona Sondereffekte:
1. COVID 19 Isolationsgesetz als außerordentlicher Ertrag i.H.v. 4.9 Mio.€,
2. sowie 4.1 Mio.€ Landeszuschuss der Gewerbesteuer
welche die Ergebnisrechnung 2020 deutlich verbessern.
Der Fehlbetrag von ursprünglich 5.3 Mio.€ hat sich mit der Veränderungsliste auf 7.7 Mio.€ erhöht. Das hört sich nicht gut an und ist es auch nicht, aber mit der Umsetzung der verschiedenen Konsolidierungsmaßnahmen wird in der mittelfristigen Finanzplanung ein HSK eher unwahrscheinlich.
Frei interpretiert, nach einem der Kölner Grundgesetze, könnte man nun sagen:
Et hätt noch immer jot jejange!
Aber das ist ein Trugschluss.
Die Haushalts-Konsolidierungsmaßnahmen sind eine Teillösung und taktisch jetzt angebracht, um ein HSK zu vermeiden, aber langfristig und strategisch betrachtet muss das Ausgabenproblem nachhaltig gelöst werden. Kempen ist wie Willich – und übrigens die beiden einzigen Kommunen im Kreis Viersen - aufgrund der Einnahmen aus Einkommens- und Gewerbesteuer eine Kommune mit hoher Finanzkraft, d.h. eine ambudante Gemeinde, die keine Einnahmen Schlüsselzuweisungen des Landes erhält.
Das HH Defizit resultiert nicht aus „Nichteinnahmen“, sondern ist auf der Ausgabenseite zu suchen.
Wir haben alle Zeit und Grips in die Überlegung für Einsparmaßnahmen gesteckt.
Enttäuscht sind wir jedoch über die Einsparungen der allgemeinen Verwaltungstätigkeiten, welche mit knapp 5% einen geringen Anteil an den Konsolidierungsmaßnahmen ausmachen. Während die Gebühren- und Steuererhöhungen rund 95% der „Konsolidierung“ darstellen.
Wir lehnen daher eine Grundsteuer B Erhöhung ab, als auch die Einführung einer Zweitwohnungssteuer ab 2023.
Ebenfalls kritisch betrachten wir den Punkt der Abgabe des örtlichen RPA an den Kreis Viersen. Unser Antrag fordert zuerst eine Kostenanalyse des Aufgabenkatalogs der gesetzlichen Aufgaben im Vergleich Kempen / Kreis Viersen bevor eine so einschneidende Maßnahme umgesetzt wird.
- · Beim größten Ausgabenblock „Personalaufwendungen“ mit 37 Mio.€ bzw. ca. 34% Anteil am Haushalt 2021 ist die Aufgaben– und Stellenkritik sofort zu beginnen und nicht erst 2025.
- · Die Ermächtigungsübertragungen der Fachämter sind stringenter zu planen. Die Übertragung von 17.2. Mio.€ von 2020 in den HH 2021 stellt nicht die dahinter stehenden Projekte in Frage, aber wenn von 17.2 Mio.€ die rechtlichen Verpflichtungen 10.9 Mio.€ ausmachen und 40% = 6.9 Mio.€ quasi als stille Reserve geplant sind kann man einen Schattenhaushalt vermuten. Hier muss genauer und schärfer hingesehen werden.
- · Weitere Überlegungen bzgl. Übertragung kommunaler Institutionen auf Trägerschaften oder Übergabe von Aufgaben an der Kreis Viersen sind zu analysieren und Optionen hinsichtlich interkommunaler Zusammenarbeit zu prüfen
- · Wir schlagen an dieser Stelle die Einrichtung einer Strukturkommission vor, die prüft, welche Aufgaben die Stadt Kempen selbst übernimmt und welche bei der Übernahme durch den Kreis und Finanzierung über die Kreisumlage attraktiver sein könnte.
Aber es gibt nicht nur Kritik.
Eine langjährige Forderung der FDP findet nun endlich Niederschlag in den Investitionen zu Bildung und Digitalisierung. Der Schulneubau der Gesamtschule, der Neubau von 3 KITA´s, als auch der Medienentwicklungsplan für die Kempener Schulen zeigen in die richtige Richtung. Sie sind der Beginn eines gesamtheitlichen Schulcampus, der Kempen wieder zu dem machen soll was es war: Kempen die Schulstadt.
Des Weiteren wird dieses Jahr ein FDP Antrag realisiert, nämlich der Bau der Umkleidekabinen an der Stendenerstraße in St.Hubert. Es hat lange genug gedauert vom Antrag im März 2018 bis heute. Die bisherigen Umkleide- und Hygienebedingungen sind unzumutbar und werden nun endlich abgestellt.
Mit zwei neuen Stellen einer Klimaschutz- sowie einer Mobilitätsmanagerin nimmt der Masterplan „Kilmaschutz“ und „Radverkehrskonzept“ Fahrt auf. Dies ist auch dringend nötig angesichts der Ziele einer CO2 Neutralität. Die Zielumsetzung darf sich dabei nicht an idiologischen Vorgaben orientieren – Maßstab muss Verhältnismäßigkeit, Kosten/Nutzen Abwägung und Wirkungsgrad sein. Klimaschutz fließt heute bereits in Planungen bei Sanierungs- oder Neubaumaßnahmen öffentlicher Liegenschaften ein und der Kempener Westen bietet sich geradezu an Klimaschutzmaßnahmen in bauliche Substanz umzusetzen.
Knapp 1.0 Mio. € wird in den Fuhrparkt der Feuerwehr und den Rettungsdienst investiert. Zum Erhalt der öffentlichen Sicherheit eine richtige Maßnahme. Wir können uns bei der Freiwilligen Feuerwehr und dem Rettungsdienst nur bedanken für ihren Dienst an der Bevölkerung.
Mitte des Jahres ist das 40.000 qm große Gewerbegebiet an der Hülser Straße vermarktungsreif. Die Hälfte der Fläche mit 20.000 qm ist bereits verkauft und für die Restfläche sind potente Interessenten im Gespräch. Das zeigt doch die Attraktivität der Stadt Kempen für das Gewerbe mit den Standortfaktoren Verkehrsanbindung, Kommunikationsinfrastruktur (Glasfaser DTAG und Deutsche Glasfaser) und auch der 440 fache Hebesatz für die Gewerbesteuer womit Kempen im Vergleich etwas über dem Mittel des Kreises Viersen mit einem Hebesatz von 436 liegt. Die Gewerbesteuer ist die größte Einnahmequelle der Stadt und wir können es uns nicht leisten große Schwankungsbreiten hinzunehmen.
Die Errichtung der Gesamtschule in Holzmodulweise ist ein erster Schritt zum Schulcampus Kempen. Ziel muss eine umfassende, durchdachte und wirtschaftliche Lösung sein, die zudem zukunftsorientierte Raumkonzepte beinhaltet. Die betroffenen Gebäude sind im Rahmen von Sanierung oder Neubau mit relevanten Zielsetzungen aus dem Masterplan „Klimaschutz“ in Einklang zu bringen. Die groben Hochrechnungen erwarten Investitionen i.H.v. 50 – 80 Mio.€.
Einhergehend mit der baulichen Infrastruktur „Schule“ folgt die digitale Offensive und schlägt sich im Medienentwicklungsplan nieder. Damit nicht, wie bei den Schulen früher oder später ein Sanierungsstau entsteht, sind in den zukünftigen Haushalten feste Budgets einzuplanen. Die technischen Innovationen warten nicht und schnell sind Hard- und Software nicht mehr „State oft he Art“
Weitere Projekte sind u.a. das Kempener Wahrzeichen „Die Burg“. 2022 geht die Burg vom Kreis auf die Stadt über und spätestens dann stellt sich die Frage „wie damit umgehen“ ? Allein eine erste Begutachtung schätzt 10.0 Mio.€ an Sanierungskosten und dabei wurde der Baukörper noch nicht geöffnet. Luft nach oben, also Sanierungsaufwand scheint genug da zu sein. Unsere Position dazu ist eindeutig: Die Suche nach einem privaten Investor und Einflussnahme der Stadt mittels Kaufvertrag, Planungsrecht und Denkmalschutz zur Gestaltung und Nutzung der Burg. Nur mit Kaffee und Kuchen, Bücherei, Standesamt oder Raumvermietung – wie einige Vorschläge lauten – sind weder die Betriebskosten noch die Refinanzierung der Sanierung zu decken.
Zum Ende noch die Sanierung des Rathauses am Buttermarkt. Um hier die räumliche und technische Infrastruktur nach dem heutigen Stand zu erreichen steht erst einmal die Überwindung der Denkmalschutzauflagen entgegen. Auch hier werden Summen von md. 10 Mio.€ Sanierungsaufwand genannt.
Das Radverkehrskonzept Kempen 2019 schätzt die Umsetzungskosten der 369 Maßnahmen in die Straßenbaulast der Stadt mit rund 11.0 Mio.€ ein und das ohne Baunebenkosten. Auf 15 Jahre umgelegt bedeutet das im Schnitt 750.000€ pro Jahr. Fairerweise sei erwähnt, dass hierbei mögliche Fördermittel nicht berücksichtig wurden.
Allein die Aufzählung dieser 5 Projekte bringt in der Summe ein Investitionsvolumen von ca. 100.0 Mio.€ auf die Waage. Sie sehen, vieles ist wünschenswert, aber muss alles sein? Muss alles in städtischer Verantwortung und Betrieb liegen oder geht es auch ein Nummer kleiner oder reichen auch Teillösungen aus ? Nehmen wir den Nachhaltigkeitsgedanken für die Folgegenerationen wirklich ernst kommen wir um Priorisierungen nicht herum und die eine oder andere unpopuläre Entscheidung wird zu treffen sein.
Wir stimmen dem Haushalt 2021 zu und bedanken uns besonders bei der Kämmerei, Herrn Geulmann und seinen Mitarbeitern für ihre Unterstützung.
gez. Bernhard Lommetz, FDP Fraktionsvorsitzender